Berichte der Literaturgruppen


 

Sand II

Genie und Wahnsinn

 

Das Herzzerreißende und Pathologische in der Liebesbeziehung von George Sand und Alfred de Musset

George Sand befand sich 1833, als sie den Dandy und hoch gelobten Poeten Alfred de Musset im Frühjahr kennen lernte, in einer psychisch relativ stabilen Lebensphase. Ihr erster eigenständiger Roman „Indiana“ war ein voller Erfolg, ihr zweiter „Lelia“ stand kurz vor der Veröffentlichung, die intensiven Gespräche mit der berühmten Schauspielerin Marie Dorval hatten ihr Selbstvertrauen und ihre Freiheitsliebe gestärkt und die Trennung von Jules Sandeau war verkraftet. In ihrem späteren Roman „Sie und Er“ stellt sie die Kennenlernphase und die Entwicklung der Liebe zu dem eigenwilligen Dichter ausführlich dar. Auch dort zeigt sich die Titelfigur „Thérèse“ als äußerlich gefestigte Persönlichkeit. Von Musset weiß sie, dass er sehr wankelmütig ist und seine Stimmungen augenblicklich von schwärmerischer Leidenschaft in cholerische Wutausbrüche umschlagen können. Deshalb ist sie zunächst vorsichtig, bleibt aber dem 6 Jahre jüngeren Genie durchaus wohl gesonnen, ist von seinem Verstand und seiner Kreativität überaus fasziniert. Auch kann sie sich der Ausstrahlung und Beredsamkeit des Schönlings nicht entziehen, zudem reizt sie der „Betreuungsfall Musset“, er weckt ihr ausgeprägtes Fürsorgebedürfnis, bei dem sich Erotisches und Mütterliches eindrucksvoll miteinander verbinden. Musset seinerseits fühlt sich von ihrem heiteren und liebevollen Wesen und natürlich auch von ihrer eigenwilligen Schönheit sehr angezogen.

George Sand

Anmerkungen zu: George Sand, Geschichte meines Lebens, Auswahl, Hg. Renate Wiggershaus, Frankfurt 1978

Bibliographische Hinweise

George Sand begann mit der Niederschrift ihrer Lebenserinnerungen im Jahre 1848.

Sie, die „Muse der Revolution“, war aber zu sehr mit den politischen Umwälzungen verbunden, dass sie zunächst die Arbeit an ihrem Werk unterbrach. 1849 arbeitete sie an ihrer Autobiographie weiter. Obwohl sie längst nicht alle privaten Geheimnisse preisgab, war die Biographie auf 10 Bände angelegt. Als Workaholic widmete sie sich zwar regelmäßig ihrem Werk, kümmerte sich gleichzeitig auch um Gutsverwaltung, Familienangelegenheiten, andere schriftstellerischen Werke und um ihre politischen Freunde, so dass das 1600 Druckseiten umfassende Werk erst 1854 erscheinen konnte und 1855 ins Deutsche übertragen wurde.

Für die heutigen Leser mutet eine so umfangreiche Autobiographie einer 44- bis 51 Jährigen vielleicht etwas vermessen an, aber man darf schließlich nicht vergessen, dass damals die Menschen auch immer ein kurzfristiges Ableben mit in Betracht ziehen mussten. Hinzu kam, dass die Autorin sich aufgrund ihrer Freigiebigkeit und der viele Gesellschaften, die sie gab, in ziemlichen Geldnöten befand. Außerdem hatte die Erfolgsautorin dieTrennung von Chopin, dessen Tod und die z. T. heftigen Auseinandersetzungen mit ihrer Tochter Solange zu verkraften.

Da auch für unseren Literaturkreis der Umfang der Originalbiographie nicht zu bewältigen ist, haben wir uns mit einer verkürzten Fassung begnügt. Dies erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil ja eine Biographie dem Leben folgt und nicht wie im Roman einer themenorientierten Handlungslogik.

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