Literaturreise der Akademie 55 plus Kassel anno 2016 nach Meersburg/Bodensee


Letztendlich waren es fünf Freunde der Literatur, die sich in der Morgenfrühe eines Montags im Oktober 2016 am Wilhelmshöher Bahnhof trafen und gemütlich mit dem ICE bis Basel durchfuhren. Dann Regionalbahn und Bus, und schon waren wir am späten Nachmittag am Ort unserer Sehnsucht angekommen: in Meersburg am Bodensee. Meersburger Promenade
Das strahlende Oktoberwetter reiste mit und der glatte See begrüßte uns im Abendsonnenschein. Der Hafen, die malerische Altstadt laden ein zum ersten Abendspaziergang. Auf dem unteren Markt duftet es nach Wein, denn die Weinlese ist in vollem Gange. Die Bütten gefüllt mit reifen Trauben werden in die Presse der Winzergenossenschaft am Ort ausgeleert und vor Aller Augen und Nasen gepresst.


Am Dienstag steigen wir hoch in die Weinberge, die das Städtchen umgeben, und lernen die weißen, grauen und roten Burgundertrauben der Region kennen. Wir wandern am Hang entlang, immer mit Blick auf den weiten See,Weinwanderweg in Meersburg nach Unter-Uhldingen zu den Pfahlbauten der Steinzeitmenschen. Diese wurden in der flachen Uferzone errichtet.Pfahlbauten, Weltkulturerbe Bäume für Pfähle gab es genug, aber der bis ans Ufer reichende dichte Urwald bot keinen Platz für Behausungen. Platz bot nur der See. Wie unsere Vorfahren in der Steinzeit gesungen und gedichtet haben, konnte uns nicht vermittelt werden. Jedoch war das Leben vor 5000 Jahren augenscheinlich hart und kurz, - fröhlich kehrten wir in die Jetzt-Zeit zurück in einer gemütlichen Gaststube bei leckerem Zwiebel- und anderem Kuchen.
Zurück in Meersburg legte gerade die Fähre nach Konstanz ab. Spontan wird sie für einen kleinen Ausflug rüber und wieder zurück benutzt. Seeblicke nach allen Seiten, so schön! Blick vom See auf alte und neue Meersburg
Am Mittwoch bei strahlendem Sonnenschein fahren wir gleich morgens mit dem Bötchen auf die Insel Mainau, die im herbstlichen Blumenflor erstrahlt. Herbst auf MainauDie 150 Jahre alte Gartenanlage mit ihren vielfältigen Blumenrabatten und ihrem prächtigem Baumbestand erfreute unsere Herzen und Sinne. Die aktuelle Gräfin war nicht zuhause und verkaufte uns keinen ihrer Hüte. Aber im Palmengarten gab es Ruhe für die müden Füße und wieder köstlichen Kaffee und Kuchen. Nachmittags wanderten wir über den Damm ans Ufer und fuhren mit dem Bus in die Altstadt von Konstanz. Die Stadt Konstanz steht gerade ganz im Banne 600 Jahre Konstanzer Konzil. Nach so viel blühender Natur auf der Mainau empfing uns jetzt das zu Ende gehende Mittelalter in Altstadt und Dom. Was für ein Themenwechsel!
Der Donnerstag unserer Reisewoche stand völlig im Namen der Dichterin, die uns hierhin gelockt hatte: Anette von Droste- Hülshoff. Wir besichtigen die dicke alte Meersburg mitsamt hohem dicken Turme, in der Anette ihre schönsten Gedichte geschrieben hat und in der sie im Alter von nur 51 Jahren verstarb. Arbeitszimmer, Sterbezimmer mit Locke vom Haupt der Dichterin, alles öffentlich zugänglich, aber so lieblos präsentiert.

Wir stiegen den Berg hinauf bis zum „Fürstenhäusle“, das Anette mit 46 Jahren vom ersten selbstverdienten Geld für sich selber kaufte. Sie hat es nie bewohnt, nur am Fenster gesessen und die Aussicht bewundert.Drostes Fürstenhäusle Auch hier ist sie lieblos präsentiert, was aber erkannt und verbessert werden soll. Detail von Anettes GrabmalWir besuchten ihr Grab auf dem kleinen Friedhof. Es war völlig leer geräumt, der Grabstein bescheiden und schlicht.  Arme, arme Anette!
Aber eine Wahrheit bleibt:
Fast 180 Jahre nach deinem Tod begeistern uns noch deine Gedichte.
Das würde dich freuen.

Am Turme

Ich steh auf hohem Balkone am Turm,
umstrichen vom schreienden Stare,
Und lass gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare.
O wilder Gesell, o toller Fant,
ich möchte dich kräftig umschlingen,
und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
auf Tod und Leben dann ringen!

Und drunten seh ich am Strand , so frisch
Wie spielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch,
und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möchte ich hinein alsbald,
recht in die tobende Meute,
und jagen durch den korallenen Wald
das Walross, die lustige Beute.

Und drüben seh ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
seh auf und nieder den Kiel sich drehn
von meiner luftigen Warte.
O, sitzen möchte ich im kämpfenden Schiff,
das Steuerruder ergreifen,
und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöwe streifen.

Wär ich ein Jäger auf freier Flur,
ein Stück nur von einem Soldaten,
wär ich ein Mann doch mindestens nur,
so würde der Himmel mir raten.
Nun muss ich sitzen so fein und klar,
gleich einem artigen Kinde,
und darf nur heimlich lösen mein Haar,
und lassen es flattern im Winde!


(Kleine Nachlese über eine abwechslungsreiche Fahrt, umsichtig und liebevoll organisiert von unserem Mitglied Marita Kätzel, der wir herzlich dafür danken.)
Hannelore Freudenberg, im Oktober 2016

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