George Sand V
George Sand, Lélia (1834)
Vorwarnung
Nicht nur Felicitas vermag uns zu verwirren. Das konnte auch schon George Sand fast 200 Jahre früher.
Die Erzählerin hält Zwiesprache mit ihren Figuren, bevor sie nach ca. 100 Seiten in den eigentlichen Erzählrhythmus gelangt. Eine Einordnung fällt schwer, Liebesroman der Schauerromantik; Doppelwesen im Erzähl- und Reflexionsgestus, Ich-Spiegelungen, Wollen und Verzagen, Liebe und Sinnlichkeit und über allem die metaphysische Beziehung von Mann und Frau als Ergebnis einer ungesteuerten Evolution.
Lélia
Die Dichterin hält Zwiesprache
Mit sich, mit Lélia, ihrer Figur
Wer ist Ich? Wie ist Sie?
Ist das Fiktive nicht das eigentliche Ich?
Die Zweifel, die Ängste, die Seelenkälte
Leben, Schreiben ist Fiktion und Wirklichkeit
Das Gute, das Böse, das Schöne, das Leben
Die Erzählerin liebt Lélia
Erkennt sich selbst erst richtig in ihr
Der Spiegel, das Leiden
Nicht leben können
Wo ist der Mann, der sie erlöst?
Gibt es den überhaupt?
Muss es ein Mann sein?
Viele Fragen.
Als Kind war sie glücklich
Gierig nach Leben
Glücklich, geliebt zu werden
Später kam die Liebe und das Unglück
Lélia liebt Stenio
Die Erzählerin geht auf Distanz
Ist Lélias Liebe nicht nur eine Illusion?
Müsste da nicht mehr sein?
Fragt sie und wundert sich über die Kälte in ihr
Stenio, der Zarte, Feinfühlige, Kränkliche
Ein Widerschein der Jugendliebe und Typ Jules Sandeau
Ein Genie ohne Willensstärke, ohne Feuer
Liegt es an ihm, liegt es an ihr?
Er spricht von Hoffnung und Lélia hofft auf Liebe
Bezwingt ihre Vernunft ihre Liebesfähigkeit?
Sie ist eifersüchtig auf die, die ohne Zweifel lieben können
Ihn liebt sie wie eine Schwester den Bruder
Das ist Stenio zu wenig
Da wäre noch einer, Trenmor
Für das Leben fast verloren
Opfer seiner Spielleidenschaft
Lange ein Mann ohne Ehre
Nun auferstanden durch das Bekenntnis zum Verzicht
Nach 5 Jahren Galeerenhaft
Endlich Ruhe, ein Weiser, ein Mönch fortan
Er liebt Lélia, aber Liebe ist Sucht, Illusion
Leidenschaft, die ins Unglück führt
Sucht, die abhängig macht
Das Unmögliche mit dem Möglichen vertauscht
Der Tod klopft an die Tür
Lélia erkrankt an Cholera
Priester Magnus zweifelt an Gott
An sich selbst, weil er Lélia begehrt
Lélia bräuchte nur Leidenschaft für ihn zu zeigen
Dann würde er alles über Bord werfen
Alle wären bereit, alles für Lélia aufzugeben
Magnus, Trenmor, Stenio, selbst der behandelnde Arzt
Magnus vernimmt die Rufe der Hölle
Dorthin will er mit Lélia
Sie ist stark, spürt ihre Kraft, ihren Willen zur Lust
Stenio spielt auf der Harfe
Lélia umarmt ihn mit der Kraft eines Ungeheuers
Halluzination und Schauerromantik
Stenio Opfer und Täter
Lélia streichelt sein Haar, die besorgte Mutter
Stenio: „Schlange“ schreit er und versucht fortzulaufen
Lélia lacht
Sie möchte das Leben, die Wonnen
Ein weiblicher Faust, sich in Festen berauschen
Fühlt die Leere in sich, sucht das Maskenfest
Begegnet der Kurtisane Pulcheria (Marie Dorval)
Erst erkennt sie in ihr die Schwester im Geiste
Dann die wirkliche Schwester
Wer die Wonnen sucht, darf die Schande nicht fürchten
In der Kindheit, in der Pubertät, liebte sie die ältere Schwester
Lelia, die jüngere, wie einen schönen Mann
Das einzige Wesen hemmungsloser Freude
Doch die Freuden des Erwachsenwerdens sind nicht mehr
Lélia möchte frei sein, aber der Selbsthass hindert sie
Nur im Schlafe erlebt sie Ekstasen
Wissenschaftliche Studien lehnt sie ab, schenken keine Freuden
Sie zieht in ein baufälliges Kloster
Dies stürzt zusammen und begräbt die Verzweifelte
Priester Magnus, mittlerweile ein Stalker
Rettet sie aus den Trümmern
Nun bittet Lélia die Schwester Pulcheria um Hilfe
Sie möchte endlich die ungehemmten Freuden erleben
Doch auch dieser Versuch scheitert
Stenio taucht wieder auf
Will das vollkommene Glück, Liebe und Lust
Mit ihr, mit Lélia
Aber Lélia ist gescheitert, will nur Schwester, Mutter sein
Mehr kann sie nicht geben
Stenio stürzt sich in das rauschhafte Leben
Empfindet Lélia anfangs als poetische Erfahrung
Aber selbst Poesie kann nicht ohne Leidenschaft sein
Trenmor, Pater Magnus wollen Stenio retten
Stenio aber weiß nur einen Ausweg: den Tod
Ertränkt sich im Klostersee
Welch eine Schande für das Bet-Castel!
Ein Selbstmörder darf nicht in geweihter Erde ruhen
Die Todesnachricht; Lélia verliert das Bewusstsein
Später die Trauerrede:
„Stenio, ich beweine dich, weil du mich verflucht hast … Deine große Seele
In einem gebrechlichen Körper. Ich liebe dich, ich liebe dich auf Knien… Adieu,
Stenio (Musset), du wirst der Einzige sein, den ich aufrichtig und heftig geliebt habe.“
Magnus hält die Totenwache und hört Lélias Nachruf
Voll Eifersucht und Hass stößt er hervor:
„Satan, ich verfluche dich im Namen Christi!“
Dann erwürgt er sie
So vereinigt er die Liebenden im Tode
In fühlloser Unendlichkeit.
Oh, ihr gewalttätigen Männer
Oh, ihr schrecklichen Frauen!
Nachruf:
Mich trifft keine Schuld, beschwert euch bei George!
Wolfgang Schwarz, 22.03.2016