II. Richard Wagner als Friedensstifter
Thomas Mann befasste sich vor allem im „Zauberberg“ und „Dr. Faustus“ mit der elementaren und emotionalen Bedeutung der Musik. Er war ein großer Anhänger Richard Wagners. Verwahrte sich aber gegen dessen politische Inanspruchnahme durch die Nazis. So distanzierte er sich deshalb auch von seinen ehemaligen Freunden Pfitzner und Knappertsbusch. Im amerikanischen Exil suchte er bei der Abfassung des Dr. Faustus zunächst die Hilfe von Arnold Schönberg, der dann aber auch noch das Urheberrecht des Romans für sich beanspruchte.
In der musikästhetischen Vorliebe für Wagner ähnelte er stark Friedrich Nietzsche. Vor allem der Lohengrin hatte es ihm angetan. Er konnte ihn fast auswendig hersagen. Schon als 18jähriger verzauberte ihn eine Aufführung dieses Werkes in Lübeck. Die Idee des Leitmotivs übernahm er vom Komponisten schon in „Der kleine Herr Friedemann“ und in den „Buddenbrooks“.
Seine Liebe zu Wagner teilte er auch mit seinem Schwiegervater Alfred Pringsheim und Schwager Klaus. Dies war sicherlich auch ein Grund dafür, dass sie ihn überhaupt als Bewerber der geliebten Tochter Katia und Schwester akzeptierten. Auch mit Thomas „Männerliebe“ Paul Ehrenberg verband ihn die Begeisterung für Wagner. Den Antisemitismus des Wagner-Clans hat er indessen immer verabscheut. Das wiederum stärkte z.B. seine Freundschaft mit dem weltberühmten Dirigenten Bruno Walter oder dem Philosophen und Musiktheoretiker Th. W. Adorno. Auch mit dem bedeutenden Wagner-Biographen Ernest Newman pflegte Th. Mann eine freundschaftliche Beziehung. Durch seine Liebe zur Musik Wagners, aber auch durch seine Kritik an den Ideologien des Komponisten gewann der Romancier viele Freunde. Alle eint die Faszination für den „Seelenzauber“ der wagnerischen Musik. Diese „Nachhaltigkeit“ lässt sich durchaus als friedensstiftend bezeichnen. Das ist allerdings nur die eine Seite der Wagner-Rezeption: Hinter den mächtigen Eichen in deutschen Wäldern lauern auch viele erbitterte Wagner-feinde, die sich am Inhalt und Form der Wagnerschen Oper stören, sie ergötzen sich lieber an italienischen Belcanto-Opern. Thomas Mann gehörte nicht dazu, er ist lebenslang ein Wagnerverehrer geblieben.
Monika Mann - ausgegrenzt und ungeliebt, die Rangniedrigste im Thomas-Mann-Clan
Kinder berühmter Eltern haben es nicht immer leicht. Ihnen werde positive genetische Dispositionen zugeschrieben, es wird ein hoher Erwartungsdruck aufgebaut, und sie werden oft mit Verachtung gestraft, wenn sie im Konkurrenzkampf mit den Geschwistern hoffnungslos hinterherhinken.
So erging es auch dem „armen Mönle“, wie Thomas Mann seine Tochter Monika in seinem Tagebuch bezeichnete. Dabei sah es anfangs für die Viert geborene gar nicht so schlecht aus. Die anspruchsvolle Mutter führte liebevoll ein „Monika-Büchlein“, von der Geburt am 7.6.1910 bis Mai 1914. Die anfänglichen Äußerungen waren überwiegend positiv, nur störte die ehrgeizige und leicht herrschsüchtige Katia schon früh die ausgeprägte Eigensinnigkeit der kleinen Weltbürgerin. Zudem war in den ersten Jahren nicht die Mutter, sondern das Kindermädchen „Hermine“ die bevorzugte Bezugsperson für die Kleine. Auch Tommy fand wenig Gefallen an der nachgeborenen Tochter, vor allem störte ihn ihre üppige Lockenpracht. Er beurteilte das Töchterchen offensichtlich nach seinen ästhetischen Maßstäben.
Auch in der Schule konnte Moni nicht brillieren und so schrieben sie Eltern und Geschwister schnell ab. Sie war im familiären Umfeld gehemmt und schweigsam. Das Gefühl der Ausgrenzung verstärkte sich mit der Geburt der Schwester Elisabeth, die der Weltromancier über alles liebte. Im Haus der Hochkultur versuchte sich Monika auch mit kleinen gereimten Gedichten. Die kommentierte der weltberühmte Vater herablassend: „Sie schrieb gedichtähnliche Kurztexte. Gern würden wir anderes sagen, aber sie sind herzlich unbedeutend.“ (Karin Andert, Monika Mann. München 2012 S.9 ). Da sie als Schulversagerin galt, versuchten die Eltern es mit dem berühmten Internat „Salem“ am Bodensee.
Dort aber wurde sie ganz anders als Zuhause wahrgenommen: Sie tat sich in Schüleraufführungen als talentierte Sängerin und Klavierspielerin hervor und erfreute sich auch sonst großer Beliebtheit bei Mitschülern und einigen Lehrern. Sie galt als lebenslustig und stürzte sich ins volle Leben der wilden Zwanziger. Tröstlich war zudem, dass ihr Großvater Alfred Pringsheim immer liebevoll mit seiner Enkelin umgegangen war und so war es auch kein Wunder, dass der Frauenversteher auch ihre erste große Liebe war, was Mutter Katia offensichtlich neidvoll zu Kenntnis nahm, es aber letztlich als pubertäres Gehabe abtat. Allerdings war Monika auch später leicht entflammbar und liebte viele Männer mit großer Leidenschaft. Wenn auch nicht jede Werbung erfolgreich war, so sagte man ihr doch zahlreiche Affären nach.
1934 verliebte sie sich in den ungarischen Kunsthistoriker Jenö Lanyi (1902-1940). 1936 stellte sie ihn den Eltern vor. Diese hatten offensichtlich Schlimmeres erwartet und freuten sich mit Moni. 1938 wurde Verlobung gefeiert und 1939 geheiratet.
Adolf Hitler hatte wohl etwas gegen diese Verbindung und setzte 1940 seine torpedierenden U-Boote ausgerechnet auf den Frachter an, auf dem viele Flüchtlinge aus Europa ins verheißungsvolle Kanada übersiedeln wollten. Monika überlebte im Rettungsboot, aber der jungvermählte Ehemann ertrank. Die völlig verstörte Monika wurde zu ihren Eltern nach New York gebracht. Während ihrer Anwesenheit kritisierte Bruder Golo das seiner Meinung nach völlig unsensible Verhalten der Mutter, die das Trauma der junge Witwe in keiner Weise lindern konnte. Als die Eltern nach Kalifornien umsiedelten, gewährten sie der Tochter auch im neuen Hause Unterkunft und schenkten ihr sogar einen Sportwagen. Bald wurden sie ihrer aber überdrüssig und besorgten, ohne ihr Wissen, Monika ein eigenes Apartment. Damit war sie nicht einverstanden und so siedelte sie wieder nach New York über. In ihrem „New Yorker Tagebuch“ begründet Monika diesen Schritt wie folgt: „… dass sie ihr Leben nicht wie eine Hutschachtel mit sinnlosen Tätigkeiten füllen wolle“ (Andert, S. 35). In ihrer nun sturmfreien Bude lebte sie einige Zeit mit ihrer Münchener Freundin Kadidja Wedekind zusammen. Bei den gelegentlichen Besuchen bei den Eltern in Kalifornien, die sich zum Verdruss der Mutter oft sehr ausdehnten, gab es regelmäßig heftige Auseinandersetzungen mit der Mutter. Einmal war der 8-jährige Frido Zeuge eines solchen Streites. Er beschreibt später Monika in dieser Szene als stampfende, weinende und wutschnaubende Hysterikerin. Mutter Katia war überhaupt nicht gut auf die Tochter zu sprechen, die sie für faul und verlottert hielt. In einem Brief an ihren Bruder Klaus Pringsheim bezeichnet Katia die Tochter als „Halbtalentchen“ und elendes Kind, das hemmungslos die elterliche Gastfreundschaft und ihre finanziellen Zuwendungen wie selbstverständlich in Anspruch nähme.
Auch die Beziehung zur älteren Schwester Erika war sehr problematisch. Jahrzehntelang hatten sie keinerlei Kontakt und zu Erikas Beerdigung 1969 war Monika auch nicht erschienen.
Monika ging ihren eigenen Weg und lebte ab 1958 mit dem ital. Maurer Antonio Spadero auf dessen Heimatinsel Capri. Sie war eine brave Hausfrau, kochte sehr gut und schrieb für Schweizer Zeitungen Feuilleton-Artikel. Nachdem ihr Lebenspartner 1985 starb, verließ sie Capri, litt unter starken psychischen Störungen, die Klinikaufenthalte notwendig machten. Schwester Elisabeth war daher sehr besorgt um das schwesterliche Erbe.
Im „New Yorker Tagebuch“ formulierte Monika Mann ihren Lebensgrundsatz: „Ich bin nicht hinter etwas her, das zu hoch für mich ist, sondern ich strecke die Hand nach etwas aus, das mich innerlich bewegt“ (Andert, S.235).
1992 stirbt Monika Mann und der Corriere della Sera schreibt im Nachruf: „Monika Mann ist gestorben, die letzte Kaiserin von Capri.“ (Andert, S.137).
Monika Mann strebte nicht um jeden Preis nach Ruhm, so nutzte sie auch nicht ihr Talent als Pianistin und verzichtete weitgehend auf öffentliche Auftritte. Sicherlich war sie aber mit ihrem Leben weit zufriedener als ihre Geschwister Erika, Klaus und Golo. Sie wusste zu leben und strebte nicht krampfhaft nach Ruhm und Anerkennung. Sie zeigte, dass große Namen oft ein Fluch seien, dass man aber trotzdem viele glückliche Momente erleben könne.
(für Interessierte: Fortsetzung folgt in der nächsten Woche an dieser Stelle …...)
Wolfgang Schwarz, 10.02.2015