(...letzte Fortsetzung zu den Randnotizen „Herrn und Frau Thomas Mann“):

Josef Ponten, Dr. Allwissend, Nervensäge, Heulsuse und Neidhammel

Die Beziehung Thomas Mann und Josef Ponten erinnert in mancher Hinsicht an eine übereilt geschlossene Ehe: Zunächst mag man sich, will gemeinsam viel unter-nehmen, dann entdeckt man die Mängel des Anderen, Meinungsverschiedenheiten verderben den Alltag, zuletzt geht gar nichts mehr, alles stört, man ist aufeinander neidisch, bleibt trotzdem eifersüchtig, versucht ständig dem Anderen seine Unzulänglichkeiten zu beweisen und geht in Zwietracht auseinander.

 

Josef Ponten wurde 1883 geboren. Er war das älteste Kind ehrgeiziger Eltern, also den Schreckgespenstern aller recht schaffenden Lehrer. Der hoffnungsvolle Filius studierte Philosophie und Architektur, speicherte aufgrund seines phänomenalen Gedächtnis viel Wissen und machte sogar tiefen Eindruck auf eine Adelige. Ob gut oder schlecht überlegt, wissen wir nicht, jedenfalls konnten sie es kaum erwarten und er ehelichte die Freifrau Julia von Broich im Jahre des Herren 1908. Neben den Ehepflichten tobte er sich auch mit Gedichten und literarischen Texten aus. Mit großer Begeisterung las er die „Buddenbrooks“ und suchte die Bekanntschaft der Familie Mann. Aufgrund seines Wissens und Besserwissens wurde er noch lange vor seiner Promotion 1923 in München in eingeweihten Kreisen Dr. Allwissend genannt. Sein erstes Großprojekt sollte übernationale Dimensionen besitzen: „Der babylonische Turm“. Das mächtige Bauwerk umfasst fast 500 Seiten und ist ein Architektur- und Familienroman. Die recht originelle Idee erregte Aufmerksamkeit und Katia Mann konnte sich noch 50 Jahre später an die Wirkung des Werkes bei ihrem Erfolgsgatten Thomas erinnern: „Ein anderer Freund des Hauses war Josef Ponten. Sein erstes Buch „Der babylonische Turm“, es war ein Roman, fand mein Mann begabt“ (Katia Mann, Meine ungeschriebenen Memoiren … S.61), ein wahrlich euphorische Äußerung der Thomas Mann-Managerin!

Anfangs entwickelte sich zwischen Thomas und Josef eine von gegenseitiger Achtung geprägte Freundschaft. Z.B. beabsichtigten Beide mit anderen namhaften Schriftstellern eine Literaturzeitschrift zu gründen. Beide konnten sich zunächst über fast gleichrangige Erfolge freuen, führten viele ambitionierte Gespräche und schrieben sich regelmäßig Briefe (von Thomas Mann sind allein 67 erhalten). Doch Mitte der 20ziger Jahre fühlte sich Ponten verkannt und ungerechtfertigt zurückgesetzt im Vergleich zu Thomas Mann. Er sah sich als Opfer einer willfährigen Literaturkritik und Katia Mann kommentiert diese Phase der Beziehung: „Ponten war ein komischer Mensch, er war von Ehrgeiz verzehrt, und das Leiden seines Lebens war, dass er sich ständig an Thomas Mann maß und ihn unbedingt übertreffen wollte“ (Memoiren… S.61).

Da Thomas Mann weder in der Lyrik noch im Schauspiel Außergewöhnliches zustande brachte und während Ponten, wenn z.T. auch stümperhaft Poeme verfasste, so legte er doch wert darauf, dass er als Dichter und Thomas Mann lediglich als Schriftsteller zu gelten habe. Es gab darüber einen langen Schriftwechsel, Katia fasst es in der Wiedergabe eines mündlichen Dialogs zusammen: „Einmal sagte er (Ponten)zu ihm: „Ich bin ein Dichter. Und Sie ein Schriftsteller. Nein, ich bin beides“ (Memoiren S.61,. vgl. auch Harprecht S.550). Damit wollte Ponten nebenbei auch zum Ausdruck bringen, dass Thomas Mann eigentlich gar nicht Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, Sektion Dichtung sein dürfte. Ende der 20ziger Jahre betonte Ponten zudem immer mehr das Deutsche als Wesensmerkmal der Sektion, womit er natürlich die Zustimmung der Faschisten fand. Vor diesen Hintergrund fasst der opulenteste Thomas Mann-Biograph die Charaktermerkmale Pontens wie folgt zusammen: Er sei eine Nervensäge gewesen, um Aufmerksamkeit bettelnd, rasch beleidigt, rasch wieder versöhnt, krankhaft eifersüchtig auf Thomas Mann (Harprecht, S. 592).

Ein besonders heftiger Tiefschlag wurde Josef Ponten 1929 versetzt. Thomas Mann erhielt den Literaturnobelpreis. Während der Preisverleihung befand sich Ponten in Amerika und behauptet, dort häufig gefragt worden zu sein: „Who is Thomas Mann?“ Er hatte diebischen Spaß (an dieser Wiedergabe) (Katia Mann, … S. 62).

Zu dieser Zeit spielte das verkannte Universalgenie auch in der Akademie eine unrühmliche Rolle: Er forderte jüdisch-deutsche Schriftsteller und auch Thomas Mann auf, die Akademie freiwillig zu verlassen. Da Ponten eine neue Unterform des Romans, den Landschaftsroman, kreiert hatte, erntete er von deutsch-nationalen Kräften viel Beifall. In seinen Romanen schilderte der Anerkennungshungrige das Schicksal und Leben von Auslandsdeutschen, das war natürlich so recht nach dem Geschmack von Hitler und Goebbels.

Während der Machtergreifung befand sich Thomas Mann auf einer Leserreise in Böhmen. Er bilanziert diese Tournee: Es gab ein helles Aufleuchten meiner Existenz, die sich dann doch glänzender und dem Menschen treuer erweist, als die der Kolbenheyer und Ponten“ (Harprecht, S.839).

1947, sieben Jahre nach dem Ableben des Kontrahenten, fasst Thomas Mann die Beziehung noch einmal zusammen: „das war kein Freund, sondern ein ehrgeizig und fixiert sich zutuender Kollege, der sich und mich mit ungesunden Vergleichszwang quälte“ (Harprecht, S.592). Seine ablehnende Haltung wird auch an einer ironischen Bemerkung deutlich. So schildert er, dass der Selbstversessene oft bei der Lektüre seiner eigenen Werke von Weinkrämpfen geplagt wurde, nicht etwa aus Scham, sondern aus Selbstfaszination. Thomas Mann nannte Ponten so auch den „heulenden Poeten“.

Meiner Meinung nach verdienen die heute nur noch antiquarisch zu erhaltenden Werke auch keine Neuauflage. Die Dialoge wirken gekünstelt, die an sich schönen Landschaftsbeschreibungen finden kein Ende, der allwissende Erzähler belehrt uns ständig und dies ohne Tiefgang, oft mit theologischem Eifer. Trotz vieler guter Ideen führen die Werke des Rheinländers nicht in die Nähe des Lübecker Nobelpreisträgers.
Was seine Selbstwahrnehmung angeht, kann das Urteil nur lauten: Josef Ponten war ein literarischer Psychopath!

Und hiermit sind die Texte über Fans und Feinde Thomas Manns beendet.
Bitte einmal tief durchatmen, wir wechseln das Thema!

Wolfgang Schwarz, 02.04.2015