Arthur Schnitzler

Therese, Frankfurt 1978 (1932)
Jugend in Wien, Frankfurt 2011 (unveröffentlicht 1915-1920, Erstausgabe 1968)


Während der Niederschrift von „Therese“, Schnitzlers zweiter und letzter Roman, befand sich der Autor in einer großen seelischen Krise und dieser negative Grundton ist auch in dem Werk erkennbar. Das Werk, teilweise wie eine Aneinanderreihung  von Kurzgeschichten verfasst, schildert das emanzipierte, aber letztlich gescheiterte Leben einer schönen, intelligenten, jungen Frau um die Jahrhundertwende im Habsburger Wien.
Bei der Besprechung des Romans standen manchmal einigen Teilnehmerinnen die Tränen in den Augen. Meistens wurde aber sehr temperamentvoll das Schicksal der freiheitsliebenden Therese und die Verlogenheit der kaiserlichen Gesellschaft kommentiert.


Arthur, eine Kurzbiographie

Im Wonnemonat Mai des Jahres 1862 erblickte Klein-Arthur in Wien das Licht der Welt. Dass er jüdischer Herkunft war, wusste er damals noch nicht und später hat er diese Tatsache  nicht verschwiegen. Sein Vater, Prof. Dr. Johannes Schnitzler, war ein bekannter Arzt, Kehlkopf- und Nasenspezialist, dessen Patienten häufig Schauspieler und Sänger waren.

Prof. Schnitzlers Aufstieg war allein schon deshalb erstaunlich, da sein Vater ein einfacher Tischler und Quartalssäufer war. Die schöne Mutter stammte dagegen aus einer reichen und angesehenen Familie. Ihr Großvater war Hofjuwelier und ihr Vater ein erfolgreicher praktischer Arzt und hochtalentierter Pianist. Schon die großelterliche Familie praktizierte
keine jüdischen Riten und war mütterlicherseits erfolgreich in die Wiener Gesellschaft
eingebunden. Arthurs Mutter kümmerte sich liebevoll um ihn und seinen Bruder Josef. Die Bildung der Beiden übernahm der Hauslehrer und Schönredner Max Lang, der für eine solide Grundbildung sorgte, so dass die beiden Jungen problemlos ein Elite-Gymnasium in Wien besuchen konnten. Arthur fiel dort allerdings wenig auf und seine schlechten Mathematik-Leistungen konnten gut vertuscht werden. Die finanziellen Zuwendungen an die Lehrerschaft taten ihr Übriges. Eine Ausnahme war jedoch der Griechisch-Lehrer, der einen Groll gegen  die Kinder wohlhabender Eltern hegte. Trotzdem wurde dieser später Schulleiter und sogar Schulinspektor bei  der übergeordneten Schulbehörde. Auch Arturs Musiklehrer machte Karriere als Komponist und Kapellmeister.

Um die Qualen der Schule zu mindern, versuchte sch Arthur schon früh an Gedichten und Theaterstücken, ohne damit Aufsehen zu erregen. Mit 13 Jahren wurde Arthur von Julie so leidenschaftlich geküsst, dass Arthur es nicht versäumte, dieses Ereignis in seiner Autobiographie „Jugend in Wien“ zu erwähnen. 1879 legte er die Matura-Prüfung mit „Auszeichnung“ ab, so dass ihm die Tore der Universität weit offen standen. Dem Vater zuliebe studierte er Medizin und nannte sich nach 6jährigem Studium Dr. med. Arthur Schnitzler.

Schon ein Jahr vor der Matura lernte er die gleichaltrige „Fännchen“ (Franziska Reich) kennen und halbwegs lieben. Jedenfalls liebte sie ihn mehr als er sie. Während „Fännchen“  sich alle Mühe gab, liebte Arthur „Fännchens“ drei Jahre ältere Cousine viel leidenschaft-licher. Dabei war diese Fanny Mütter weniger schön als „Fännchen“, aber klüger und künstlerisch begabter. Fanny Mütter war jahrelang Arthurs Beraterin in künstlerischen, literarischen  Angelegenheiten und in der Karriereplanung. Dabei waren auch Arthurs häufige „Kaffeehaus“- Besuche hilfreich, da sich in diesen Gemäuern  viele Künstler und Promis trafen.

Zunächst wurde Arthur jedoch Sekundararzt im Wiener Allgemeinen Krankenhaus
und ab 1888 Assistent seines Vaters in der Allgemeinen Wiener Poliklinik. Nach dem Tod des Vaters 1893 eröffnete er eine Privatpraxis,  ohne sich allerdings  beruflich zu verausgaben. Seine Energie widmete er zum einen der Produktion von Theaterstücken, die auch aufgeführt wurden, und zum anderen löste der Frauenschwarm zahlreiche unverbindliche Versprechen bei den lebensfrohen Wiener Madels ein. So erwähnt er auch in seiner Autobiografie einen "One-Night-Stand" mit einer Kellnerin „Therese“. (Ist sie die Namensgeberin der Romanfigur „Therese“? Im Übrigen widmete er diesem Mädchen 2 Gedichte, die man später im seinem Nachlass fand.)

In diesem Zusammenhang gibt der Weiberheld Arthur auch eine tiefenpsychologisch
interessante Selbstdiagnose preis: Trotz all der zahlreichen Liebesabenteuer, die ja seinen Erfolg als Frauenverführer nachdrücklich dokumentieren, war er krankhaft eifersüchtig. Eroberungen waren offensichtlich seine Arznei gegen Eifersucht, allerdings mit homöopathischer Wirkung. Liebe und Theatererfolge führten zu einer Vernachlässigung der Arbeit in der ärztlichen Praxis.

1894 lernte Schnitzler Marie Reinhardt kennen und lieben. Die sehr innige Verbindung endete durch den frühen Tod der Geliebten. Sie starb 1899 an einem Blinddarmdurchbruch.
Mutige Theaterleiter trauten sich, Schnitzlers Dramen auf die Bühne zu bringen, riefen damit aber, wegen der freizügigen Darstellungen und der aufdringlichen Thematisierung der Sexualität, regelmäßig Skandale und Demonstrationen hervor. Für „Leutnant Gustl“ und „Der Reigen“  werden ihm gar der Offiziersrang und Ehrenmitgliedschaften in bedeutenden Organisationen entzogen. Viele Aufführungen werden wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ verboten oder abgesetzt. Arthur erstreitet sich aber die Aufführungsrechte vor Gericht zurück.

1903 entschließt sich der Dramatiker das Wagnis der Ehe einzugehen. Er heiratet die Mutter seines Sohnes Heinrich. Mit der 20 Jahre jüngeren Olga lebt er bis 1921 zusammen. Seine Tochter nimmt sich, frisch verheiratet, mit 19 Jahren das Leben. Es ist das Jahr, in dem Schnitzler seinen Roman „Therese“ verfasst, das Jahr 1928.

Am 21.10.1931 findet er die ewige Ruhe.

Textwiedergabe „Therese“

Thereses Vater, Oberstleutnant Fabiani, wird vorzeitig pensioniert. Der unter Größen- und Verfolgungswahn leidende Psychopath ist überzeugt, in Kürze zum General befördert zu werden. Stattdessen wird er in eine Klinik für Geistesgestörte (Irrenanstalt) eingeliefert.
Die Mutter stammt aus verarmtem, slowenischem Adel. Therese litt schon in frühster Kindheit unter der Gefühlskälte ihrer Mutter. Diese Distanz seitens der Mutter mutet merkwürdig an, schrieb doch Baronin Fabiani kitschige, gefühlsbetonte Groschenromane. Thereses Bruder Karl, ein deutsch-nationaler Medizinstudent vermeidet jeglichen Kontakt zu seiner Schwester.
Die Familie lebt in Salzburg und Therese baut eine Beziehung zu Alfred auf, den sie zwar nicht liebt, der ihr aber mit Rat und Tat schon während der Schulzeit zur Seite steht. Er beabsichtigt sie nach Abschluss seines Medizinstudiums zu heiraten. Therese fällt während der Jugendfreundschaft auf einen smarten Schürzenjäger herein, einen jungen Leutnant, der laufend Abenteuer sucht und Therese zu einer seiner Geliebten macht. Ihr Ruf ist ruiniert und Therese flieht aus der Enge Salzburgs, um sich in Wien als Gouvernante und Lehrerin zu verdingen. Nach der Enttäuschung mit Leutnant Max will sie dort enthaltsam leben, wozu sie aber offensichtlich nicht fähig ist. So lernt sie auch den Verführer kennen, der ihr erster Wiener Geliebter wird. Sie ahnt nicht, dass dieser Kasimir längst verheiratet ist und bereits zwei Kinder hat. Als der Schlawiner erfährt, dass Therese wohl schwanger ist, macht er sich aus dem Staub. Therese entschließt sich schweren Herzens das Kind zu gebären, versucht aber bei der heimlichen Geburt das Kind zu ersticken. DerTötungs-versuch misslingt und sie gibt das Baby Franzl zur Pflege aufs Land. Gelegentlich besucht sie das Kind, kann aber keine rechte Liebe zu ihm entwickeln.
Während Franz heranwächst, entwickelt sie sich zu einer geschätzten Erzieher- und Lehrerin. Sie arbeitet bei einer Vielzahl von Familien und hat zahlreiche Liebschaften. Oft kündigt sie ihre Arbeitsstelle und verlässt auch ihre Geliebten. Einige Male bahnt sich eine Heirat an, doch Schicksalsschläge verhindern diese Verbindungen. Manchmal ist auch Franzl der Grund. Der entwickelt sich zum Schulschwänzer und Kleinkriminellen. Um das Schlimmste zu verhindern, nimmt sie ihn zu sich nach Hause. Franz, mittlerweile ein Dieb und Zuhälter, bestiehlt und erpresst sie.

-Viele Literaturkreisteilnehmer sahen bei Franz eine große Ähnlichkeit mit dem Stiefsohn Mark in Hustvedts Roman „Was ich liebte“ Zufall oder Plagiat?–

Kurzfristig scheint Rettung in Sicht: Der verwitwete Vater ihrer Lieblingsschülerin will Therese ehelichen und Franz auf dessen Wunsch nach Amerika abschieben. Unglücklicherweise stirbt der Bankdirektor Wohlschein kurz vor der Hochzeit. Sohn Franz wird ihr gegenüber immer brutaler und fordert laufend Geld. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bei einem Wohnungsüberfall erschlägt Franz seine Mutter und Therese glaubt bei ihren letzten Atemzügen, das sei die Strafe für ihre Schuld und ihr Versagen.

So wurde die tapfere und immer noch schöne Frau nur 37 Jahre alt. Der Muttermörder Franz wird zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Wolfgang Schwarz    Wie traurig!  Dennoch: Schon naht der Mai 2017             

 

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.